Migranten warten in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Bayern in einem Gang auf einen Termin in der Behörde.

Sachverständigenrat Warum häufige Reformen die Migrationspolitik bremsen

Stand: 13.05.2025 11:40 Uhr

Eine Wende in der Einwanderungspolitik hatte die Union angekündigt - von Tag eins ihrer Regierung an. Dass Schnelligkeit dem Erfolg abträglich sein kann, legt ein aktuelles Gutachten nahe.

Egal, ob am Küchentisch oder in der hohen Politik: Migration führt immer wieder zu oft emotionalisierten Debatten. Um Emotionen Erkenntnis entgegenzusetzen, förderten einst acht wirtschaftsnahe Stiftungen den "Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR)". 2020 machte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Rat zu einem weiteren vom Staat finanzierten Expertengremium, das die Politik beraten soll.

Alle Jahre wieder fasst der SVR die Erkenntnisse in einem Jahresgutachten zusammen. Dieses Jahr mit dem Schwerpunkt, wie sich Änderungen der Gesetzgebung in der Migrations- und Integrationspolitik ausgewirkt haben - unter ihnen die Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, den sogenannten "Job-Turbo" oder auch die Möglichkeiten für Geduldete, durch Beschäftigung ein Aufenthaltsrecht zu erlangen.

Die Ergebnisse klingen umso spannender, sieht sich die neue Bundesregierung doch unter erheblichem Handlungsdruck. Und wenn dabei neue Gesetze und Verordnungen durch die zuständigen Behörden nicht hinreichend umgesetzt werden sollten, könnte das ihren Erfolg schmälern.

Hohe Anforderungen an Behörden

Ein Fazit: Die häufigen Gesetzesänderungen oder auch -nachbesserungen stellten hohe Anforderungen an die Behörden, die ihr Personal gar nicht so schnell schulen konnten, wie Veränderungen aus der Politik über sie hereinprasselten. "Dies erhöht die Gefahr, dass Gesetze schleppend und ineffizient umgesetzt werden", heißt es im SVR-Gutachten.

Ein Eindruck, den auch die Integrationsbeauftragte der Stadt Ingelheim, Dominique Gillebeert, aus Gesprächen mit Amtskollegen anderer Kommunen gewonnen hat: "Integrationsbeauftragte begrüßen es durchaus, wenn es vorangeht, wenn es Gesetzänderungen gibt. Aber schwierig wird es, wenn dabei nicht mitgedacht wird, das alles auch auf Verwaltungsebene umgesetzt werden muss."

Gillebeert nennt Beispiele wie das Einbürgerungs- oder das Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Die Regelung wurde mit zig Punkten ausgestaltet, an Stellen noch einmal geändert, geschärft, aufgeweicht und ergänzt. "Das muss man sich alles wieder aneignen. Und das macht es schwierig." Dass es Änderungen gibt, sei wichtig, mache aber alles immer komplizierter, sagt Gillebeert: "Da reichen sehr viele Regelungen bis ins Detail - was teilweise vielleicht sogar notwendig ist, aber auf der anderen Seite dann in der Umsetzung sehr schwierig wird."

Zu viel Entscheidungsfreiheit?

Gleichzeitig erschwere die Komplexität der Gesetze auch deren Qualitätsprüfung, ob die Gesetzesänderungen auch ihre Ziele erfüllten, schildert der SVR in seinem Gutachten: Blieb der Erfolg aus, weil die Behörde das Gesetz nicht umsetzte? Oder weil das Gesetz schlecht gemacht war (was auch im schnellen Handeln des Gesetzgebers begründet sein kann)?

Im Staatsangehörigkeitsrecht hingegen sieht der SVR manche Behörden regelrecht gefangen in der Entscheidungsfreiheit: "Für die ausführenden Behörden bedeuten Gesetzesänderungen zusätzlichen Aufwand, besonders, wenn die neuen Regelungen ihnen Auslegungs- und Ermessensspielräume lassen wie beim Staatsangehörigkeitsgesetz."

Fast zum Glück der Behördenmitarbeiter gibt ihnen das Dickicht der Zuständigkeiten wieder Halt in besagten Spielräumen: "Inhaltlich zusammenhängende Aufgaben werden von unterschiedlichen Verwaltungsstellen auf den verschiedenen föderalen Ebenen erfüllt", schildert das SVR-Gutachten. Zu oft scheint das Handeln einer Behörde abhängig von Entscheidungen einer anderen.

"Die Wege müssen kürzer gestaltet werden"

Beispiel Erstaufnahme von Geflüchteten: Das jeweilige Bundesland muss sich mit der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abstimmen, die Ausländerbehörde in der Kommune wiederum mit der Bundesagentur für Arbeit und mit dem BAMF. "All dies erfordert somit eine Abstimmung und den Austausch von Informationen und Daten, sowohl über die föderalen Ebenen hinweg als auch zwischen verschiedenen Verwaltungsträgern", fassen die SVR-Autoren zusammen.

"Die Wege müssen kürzer gestaltet werden", sagt Gillebeert in Ingelheim. "Wir haben oft den Fall, dass Menschen eine Möglichkeit für eine Arbeitsstelle haben, aber auf Zustimmung warten müssen. Aber ein Arbeitgeber kann nicht ein, zwei Monate warten. Bessere Abstimmung der Strukturen wäre wünschenswert."

Gleichzeitig versuchten die Kommunen, selbst Abhilfe zu schaffen und setzen laut SVR mehrere ihrer Behörden und Stellen wie das Jobcenter oder Beratungsstellen in Bewegung. Oft fehle aber eine übergeordnete Koordinierung, konstatiert der SVR: "Das vorliegende Jahresgutachten zeigt, dass in der Migrations- und Integrationsverwaltung mitunter Schnittstellen- und Koordinationsprobleme sowie Parallelstrukturen und Doppelbearbeitungen bestehen." Zuständigkeiten und Prozesse seien undurchsichtig. "Die Kommunikation ist defizitär, sodass Informationen verloren gehen oder sich ihr Austausch verzögert."

Es gibt auch Positiv-Beispiele

Immerhin nennt der SVR auch beispielhafte Vorgehensweisen: In drei Pilotkommunen in Brandenburg können Drittstaatsangehörige einen Aufenthaltstitel digital beantragen und entlasten damit die Ausländerbehörden, die üblicherweise für solche Anträge zuständig sind. "Dabei kann nicht nur der Antrag online gestellt werden, die Antragstellenden können sich auch digital authentifizieren und die Nachweise digital einreichen", lobt der SVR, was im Digitalzeitalter selbstverständlich sein könnte.

Fachkräftezuwanderung sollte laut Gutachten stärker auf der Bundesebene zentralisiert werden. Nach diesem Modell würden Visa und Aufenthaltstitel zentral im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten und die Arbeitsmarktzulassung von der Bundesagentur für Arbeit bearbeitet. Auch das entlaste die Ausländerbehörden in den Kommunen.

"Wir müssen uns wirklich darauf einstellen, dass wir ein Einwanderungsland sind und dementsprechend auch die Strukturen anpassen", appelliert Gillebeert vor dem Hintergrund, dass Fachleuten zufolge hunderttausende Menschen jedes Jahr nach Deutschland einwandern müssten, um den Fach- und Arbeitskräftemangel ausgleichen zu können. "Wir müssen in der Lage sein, mit unseren Strukturen neue Menschen aufnehmen zu können."