
Hessen Wer hat mehr Druck? Psychospiele zwischen der Eintracht und Freiburg
Der Eintracht genügt in Freiburg ein Remis, um in die Champions League einzuziehen, der SC muss gewinnen. Über die Verteilung des Drucks gibt es dennoch unterschiedliche Sichtweisen.
Wer dem Freiburger Coach Julian Schuster zuhörte am Samstag, der konnte nur zu einem Schluss kommen: Da ist einer an seiner Aufgabe gewachsen, hat längst bewiesen, dass das Erbe von Christian Streich zwar ein großes, aber doch kein unüberwindbares war. Er hat bewiesen, dass es sich auch für einen Trainernovizen im Breisgau wunderbar werkeln lässt fernab der allergrößten Aufmerksamkeit, dass sich dort in aller Ruhe junge Talente zu überdurchschnittlichen Bundesliga-Spielern entwickeln können, dass sogar ein ambitioniertes Mittelklasseteam zu einem echten Champions-League-Aspiranten werden kann.
Insofern hätten die verbalen Einlassung von Schuster nach dem zuletzt errungenen 2:1-Sieg in Kiel kaum gelassener sein können. Am ARD-Mikro plauderte der 40-Jährige locker-flockig über das Erreichte, die sichere Qualifkation für die Europa League, die "etwas sehr, sehr Besonderes" für die Freiburger sei, auch über den Stolz auf seine Mannschaft. Und dass dann auch noch vor dem finalen Saisonspiel, daheim gegen Eintracht Frankfurt, "Träumen erlaubt ist", sei schlicht das i-Tüpfelchen.
"Maximaler Druck" liegt angeblich bei Freiburg
Von Druck und Nervenflattern war da wenig zu spüren, eigentlich gar nichts. Der SC Freiburg, so scheint es, kann am kommenden Samstag (15.30 Uhr) nur gewinnen, hält die Karten der Gelassenheit in der Hand. Und spielt er am Ende doch remis, bleibt damit also hinter der Eintracht und mutmaßlich auch Borussia Dortmund in der Tabelle zurück, es wäre sicher nicht der Optimalausgang dieser Runde für die Süddeutschen, aber doch noch ein guter.
Auf Frankfurter Seite finden sie trotzdem, dass der "maximale Druck" am Samstag bei den Gastgebern liege, schließlich müssten diese gewinnen, um die Champions League zu erreichen, wie Eintracht-Trainer Dino Toppmöller sagte. "Diese Ausgangssituation hätten wir, glaube ich, alle vor der Saison unterschrieben." Die Psychospielchen haben längst begonnen.
Europa League wäre eine Enttäuschung
Tatsächlich ist es doch so, dass das Abrutschen der Eintracht auf Platz fünf sicherlich ein größerer Rückschlag für den Club wäre als ebenjenes der Freiburger. Seit dem neunten Spieltag stehen die Frankfurter auf einem Königsklassen-Rang, diesen jetzt auf dem allerletzten Meter noch zu verzocken, wäre eine herbe Enttäuschung. Es hängt daran sicher nicht das ganze Wohl und Wehe des Clubs, sehr wohl aber die Bewertung der Spielzeit.
Zwar behaupten die Verantwortlichen in der Öffentlichkeit etwas anderes, zielen immer wieder auf die gute Entwicklung des jungen Teams ab, was ja nicht falsch ist, der Lohn will am Ende aber eben doch eingefahren werden. Eine Champions-League-Teilnahme wäre für die Eintracht ein echter Treiber, die Europa League eher nicht.
"Wir müssen ganz normal Fußball spielen"
Dennoch ist es nachvollziehbar, dass die Frankfurter Beteiligten verbal auf die Bremse drücken, das Finale von Freiburg zwar als ebendieses benannten, wie Abwehrmann Robin Koch sagte, es aber dennoch nicht überhöhen wollen. Die Übungswoche solle wie jede andere auch absolviert werden, sagte Trainer Dino Toppmöller. Kein zusätzlichen Mätzchen, keine besonderen Psycho-Kniffe, lieber möglichst locker dem Nervenkrimi entgegentrainieren.
Der Frankfurter Sportvorstand Markus Krösche sagte zudem mit Blick auf die bevorstehende Partie: "Wir müssen in Freiburg ganz normal unseren Fußball spielen." Bedeutet, so Krösche: "In Verteidigungssituationen nicht so sehr ins Risiko gehen und vorne ein Stück weit zielstrebiger spielen, Nadelstiche setzen." Die Hessen müssen eine grundlegend verbesserte Leistung im Vergleich zum Pauli-Remis bieten.
Ein Fußballspiel wird zur Kopfsache
Doch kann diese simple Rechnung, die Reduzierung aufs Wesentliche und damit die eigene Leistung, wirklich aufgehen? Gegen die Hamburger jedenfalls gelang dieser Ansatz am vergangenen Sonntag nicht, kämpfte die Eintracht mehr mit sich selbst als dem destruktiven Kontrahenten.
In nahezu jeder Aktion, mit Ausnahme der ersten Minute, war den Frankfurtern die Riesenchance auf Historisches anzumerken, wirkten sie gehemmt und nicht befreit. Sie wirkten, als hätten sie etwas zu verlieren und nicht zu gewinnen. Der Schuss Lockerheit habe gefehlt, gab auch Toppmöller zu. Eine Eigenschaft, die beim Sport-Club zumindest am vergangenen Wochenende noch in rauen Mengen vorhanden war. Ob die Freiburger jetzt doch noch ins Grübeln kommen, oder die Eintracht ihre hemmende Nervosität ablegt? Das Endspiel, so ist zu vermuten, wird sich auch im Kopf entscheiden.